Mozartjahr 2006: Ist es eine ignorante Abkehr von den kreativen Potenzialen der Gegenwart, eine Verherrlichung längst vergangener Werte? Es fällt den meisten Menschen leichter, 250 Jahre zurück als 5 Jahre voraus zu denken. Anlass, diese Rückwärts-Tendenz als gesellschaftliches Phänomen in einem künstlerischen Kontext zu interpretieren. Den Rahmen dafür bietet der Salzburger Bahnhof, in dem die Arge Fellinger/Schöffmann/Wiesleitner mit REVERSE MOZART einen sinnlichen Schwerpunkt setzt.

2006/10/30

Mozart goes Mitumba


Das Mozartjahr 2006 neigt sich dem Ende zu, ebenso die künstlerische Intervention am Salzburger Hauptbahnhof, die von Harald Wiesleitner, Leo Fellinger und Josef Schöffmann unter dem Namen "Reverse Mozart" initiiert und platziert wurde.

In drei Installationen (Klang | Film | Rast) wurde auf die Ambivalenz zwischen “rückwärts” und “vorwärts” Bezug genommen. In einer Stadt, die dominiert ist vom Gedanken des Bewahrens und nicht jenem des Veränderns. Es fällt den meisten Menschen hier leichter, 250 Jahre zurück als 5 Jahre voraus zu denken.

Jeder der drei Künstler schuf ein Bild, das niemals als Original dem Publikum vor Augen geführt wurde. Alle Arbeiten nehmen Bezug auf das Gesamt-Thema "Reverse Mozart" im Sinne der gnadenlosen Vermarktung des Labels Mozart. Eine gepolsterte und mit den Kunstwerken bedruckte Ruhebank in der Wartehalle des Salzburger Hauptbahnhofes, die das Ausruhen einer ganzen Stadt auf dem heimischen Komponisten symbolisiert war ebenso Träger der Botschaft wie 500 eigens bedruckte T-Shirts.

Die Darstellungen selbst bedienten mehrere Mozart Klischees und liessen dabei vielerlei Interpretationen zu - zum Beispiel durch eine collageartige Überlagerung des 5jährigen Mozarts mit dem Gesicht eines farbigen Kindes oder einem nach Liebe und körperlicher Vereinigung suchenden Mozart.

Diese Kunstwerke sollen nach Ansicht der Künstler nicht den Weg ins Museum oder die Galerie nehmen, sondern sich auf die Reise machen - mit der Bahn in den afrikanischen Kongo und nach Simbabwe. Eine lebendige, in Afrika verstreute Austellung dreier Bilder - als Mitumba.

Der Begriff "Mitumba" bedeutet in Afrika "Altkleider", oder "Dead white Men's Clothes" - die Kleider der gestorbenen Weißen, denn keiner hier kann sich vorstellen, dass ein Lebender seine Kleidung einfach weg gibt. Die so verschickten Shirts legen also nicht nur eine langen Weg zurück, sie erfahren auch eine vollkommene Umdeutung: Aus Mozart-Vermarktungs-Symbolen werden afrikanische Luxusgüter.

Am 5. Dezember werden die Shirts ihren Weg nach Afrika antreten, just an dem Tag, an dem W.A. Mozart völlig verarmt und ohne Anerkennung starb.

2006/08/01

chocolate side


Die Interpretation von Leo Fellinger:

CHOCOLATE SIDE
Die vorliegende Arbeit "chocolate side" von Leo Fellinger nimmt Bezug auf das Gesamt-Thema "Reverse Mozart" im Sinne der gnadenlosen Vermarktung des Labels Mozart. Die gepolsterte und mit einer Collage bedruckte Ruhebank in der Wartehalle des Salzburger Hauptbahnhofes zeigt Wolfgang Amadeus Mozart im Alter von 5 Jahren - eine Einladung des Künstlers, sich auf dem Erfolg des Wunderkindes auszuruhen. Eine Metapher, die das Ausruhen einer ganzen Stadt auf dem heimischen Komponisten symbolisiert. Die Darstellung selbst bedient mehrere Mozart Klischees und lässt dabei vielerlei Interpretationen zu - zum einen durch die collageartige Überlagerung des 5jährigen Mozarts mit dem Gesicht eines farbigen Kindes - diese Darstellung zitiert das Auspacken der omnipräsenten Mozartkugel und die Freilegung der darunterliegenden süsslichen Köstlichkeit - oder aber auch die Bezugnahme auf die zur Zeit völlig abhanden gekommenen Toleranz. Auch der plüschtierartige Charakter des Bildes mit weichen fließenden Formen bedient das Klischee des Wunderkindes - der Titel der Arbeit könnte auch lauten: "chocolate side of wonder child".

Die Arbeitsweise von Leo Fellinger ist eine konsequente Weiterentwicklung seiner NetWorks-Technik, in der er mit dem Treibgut des WorldWideWeb spielt - denn mit dem Internet hat sich die zivilisierte Gesellschaft die bislang größte Sammlung an Bildern und Texten geschaffen, auf die jeder, der will, Zugriff hat. Menschen vereinen sich dort berührungslos zu virtuellen Gemeinschaften und zelebrieren Sexualität, Religion, Gewalt, Keuschheit, Fetischismus und Spiritualität. Fellingers "Net Works" stürzen sich auf dieses Paradoxon zwischen Distanz und Nähe oder Sehnsucht und Wirklichkeit. Es ist Ausgangspunkt seiner Computerbilder, in die er auch Texte integriert. Er komponiert Bilder aus jenen Dingen, die er im Netz findet - Pixel und Buchstaben - und bekennt sich offen zur Entweihung der Doktrin des Originals. In der für diese Intervention entstandene Arbeit nähert er sich mehr der Technik der Collage im digitalen Raum, auch inspiriert von der Definition, die einst Max Ernst niederschrieb: "Collage ist die systematische Ausbeutung des zufälligen oder künstlich provozierten Zusammentreffens von zwei oder mehr wesensfremden Realitäten auf einer augenscheinlich dazu ungeeigneten Ebene - und der Funke Poesie, welcher bei der Annäherung dieser Realitäten überspringt."

sexual life


Die Interpretation von Harald Wiesleitner:

sexual life - die Übersättigung des physischen Ichs - eine Metapher.

Die Rückführung ins Sein ist des Lebens Herausforderung, da die vergängliche Materie, die an uns haftet, die uns wie “Hundescheiße“ am Absatz zu Boden drückt, uns erniedrigt im Erleben der Begierde. Es ist die Kraft der Leidenschaft und der Sexualität, die uns zu Höherem inspiriert, und doch dem Licht im Wege steht, welches uns den Weg und den Sinn unseres Lebens zu erhellen vermag, bevor wir ins dunkle Grau des physischen Alltags eintauchen. Auch jene, die uns das paradiesische Empfinden und das rauschende Hell der Musik vermitteln, injizieren uns gleichzeitig und synchron unsere Ängste. Es ist der Weg der Suchenden, die das göttliche künstlerische Werk projizieren und als Werkzeuge des Schöpfers auserwählt werden. Mozart hat mit seiner Suche nach Liebe, innerer Ruhe und tiefer Verneigung vor dem Schöpfer ein Werk göttlicher Klänge erschaffen und ein Vermächtnis aus Klangwelten voll Leidenschaft und Liebe hinterlassen, die uns den Anfang des immer hörbaren unendlichen Ohms erahnen lässt. Es ist die Liebe zur Musik, die Liebe zu sich selbst und die Liebe zum Schöpfer, durch die Mozart den paradiesischen Klang in seinen Opern zelebriert - und damit seine Unsterblichkeit manifestiert, die ihn den Posaunen der Engeln ebenbürtig werden lässt. Nur ein Auserwählter kann einen solchen Schatz in sich finden, ihn annehmen und wie fließendes Gold über uns Menschen ergießen, bis alle Poren des Universums in eine Klangwolke göttlicher Liebe verschmelzen. H.W.

2006/07/06

reverse mozart


Die Interpretation von Josef Schöffmann:

REVERSE MOZART
Eine Anleitung zur Ausrottung des guten Geschmacks oder: Wie mache ich gute, effiziente Werbung

Grundlage für die Auseinandersetzung des Künstlers J. Schöffmann mit dem Projekt „Reverse Mozart“ war die gnadenlose Ausbeutung und Verkommerzialisierung der „Marke“ Mozart.

Hemmungslos werden speziell im Mozartjahr mehr als 300 Artikel mit dem Namen des Musikgenies „geschmückt“. Dabei steht die Art des zu bewerbenden Produkts in keinerlei Relation zu Musik, Person oder Ort.
Schöffmann hat den Bären gewählt, als er beim Durchblättern einer Zeitung einige dieser „Artikel“ beschrieben fand. Besonders ein schmuckloser Teddybär mit aufgesetzter Perücke und rotem Jäckchen um unglaubliche 189.-€ sowie dem Hinweis limitiert und ausverkauft erlangte seine Aufmerksamkeit.
Natürlich ist der Bär beliebig austauschbar, es könnte genauso gut ein geschlechtskranker Araber oder ein Intimspray mit Makrelengeruch sein, er dient nur als Synonym für die ganze Palette an lächerlichen und geschmacklosen Ideen so genannter Werbestrategen.
So wurde der Bär zum gestalterischen Medium für eine ganze Reihe genialer Dualismen, die den Namen Mozart = Genie, in die verschiedensten Bereiche des Alltages geleitet hat.
Rockmozart, Fußballmozart,……..